Geschichten, wie man sie am Traunsee erzählt

Geschichten, wie man sie am Traunsee erzählt

Am Fuße des Berges, unterhalb jener Stelle, wo die Himmelreichwiese sich zum grünen Traunsee herabsenkt, steht ein vereinzeltes Häuschen, umgeben von einem kleinen Gärtchen, das mit einer niederen Bretterplanke eingefaßt ist. Das Häuschen beschatten zwei mächtige Birnbäume, deren Äste das Strohdach schier ganz verdecken. Neben der Hausthüre im Schatten einer dieser Bäume steht eine hölzerne Bank und ein roh gezimmerter Tisch davor, dessen zwei runde, aus einem jungen Fichtenstamm geschnitzte Füße im Boden festgerammt sind.

In diesem Häuschen wohnte vor ungefähr zehn Jahren der alte Friedel, gemeinhin der Weyer-Friedel genannt, ein Fischer seines Zeichens, was auch die hinter seinem Häuschen auf Stangen ausgespannten Netze bewiesen. Der Friedel hatte ein Weib und zwei Kinder, die Mirz, eine schmucke Dirne von zwanzig Jahren, und den Sepp, einen kräftigen Burschen von achtzehn Jahren, der dem Vater in seinem Geschäfte half, wenn er nicht gerade, was er freilich viel lieber that, auf das Wild- und Raunschießen ausging in den Forsten des Salzkammergutes. Die Mirz war eine hübsche, hochgewachsene Dirne mit dunklen Haaren und blitzenden braunen Augen, und wenn sie daher kam in ihrem hübsch geschlungenen flatternden rothem Kopftuche, mit dem knappen seidenen Leibchen und dem kurzen schwarzen Röckchen, so schaute ihr jeder gerne nach. Aber die Mirz wollte gar hoch hinaus. Keiner der Burschen von Weyer, Traunkirchen und Ebensee war ihr gut genug. An den Kirchweihtagen tanzte sie nur mit den Stadtherren, die aus Gmunden und Ischl herüberkamen, sie nahm von keinem Bauerburschen ein Band oder ein Sträußchen an und ging lieber allein, ehe sie die Begleitung eines Burschen angenommen hätte. 

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